3.000 Meilen ohne Land

29.04. – 17.05.2011

Wir stehen jetzt vor der vermutlich längsten Etappe unserer Reise – fast 3.000 Seemeilen trennen die Galapagos- von den Marquesas-Inseln und keine noch so kleine Insel, kein Ausweich-Ankerplatz liegt irgendwo am Weg. Nach einigen Tagen umkehren, zurück gegen Wind und Strom, kommt nicht mehr in Frage. Einmal abgelegt ist weg – und wir können nur hoffen, dass nichts Wesentliches bricht, reißt oder korrodiert.

unser Radpilot

unser Radpilot

Alle wirklich wichtigen Dinge sind doppelt vorhanden – nicht nur Rümpfe und Motoren. Ohne Strom keine Navigation, keine Kommunikation und kein Wasser. Von den Solarzellen haben wir drei, auch ein zweiter Regler ist vorhanden, seit wir uns in den USA einen effizienteren MPPT-Regler geleistet haben. Und jeder der beiden VOLVO-Motoren kann natürlich ebenfalls Strom erzeugen, mit dem wir zur Not auch kochen können. Ein Einplatten-Induktionsherd kommt zum Einsatz, wenn die Gasanlage ausfallen sollte – eine zweite volle Gasflasche ist natürlich ebenfalls vorhanden.

Weinvorräte

Weinvorräte

Und weil der Watermaker nur einfach vorhanden ist,führen wir in den beiden Wassertanks immer mindestens 100 Liter Trinkwasser mit – zusätzlich zu den beiden Kanistern, die wir im Notfall mitnehmen, sollten wir die Cul8r verlassen müssen. Die Essensvorräte werden nicht ausgehen, dafür hat Claudia schon gesorgt. Nicht nur alle Stauräume sind voll, auch (fast) alle Einkochgläser. Hoffentlich beißt der große Fisch nicht gleich in den ersten Tagen an . . .

Einkochgläser

Einkochgläser

Als Absprunghafen haben wir Isabela gewählt, die westlichste der Galapagos-Inseln, von hier fahren die meisten nach Westen – die Frage ist nur wann. Am Freitag 29.April 201 ist es dann endlich so weit.

Bei der Hafenausfahrt von Vilamur, als wir uns im Vorbeifahren von den 10 dort ankernden Seglern verabschieden, sehen wir „Changing Spots“ mit laufenden Motoren und Aktivitäten am Anker. Bob und Thia legen zufällig gleichzeitig mit uns ab –um 13:30 Uhr. „Shakita“ will ebenfalls noch heute los, zwei weitere erst morgen – Freitag ablegen bringe Unglück . . .

good bye Galapagos

good bye Galapagos

Alle wollen den guten Wind nützen um nach Süden in die Passatwindzone zu kommen. Die Galapagos-Inseln liegen am Äquator, in den Kalmen und daher ist in den ersten Tagen normaler Weise mit vielen Motorstunden zu rechnen. Heute haben wir 15 Knoten Wind aus SO und binden erst einmal ein Reff ins Groß – wir wollen es nicht zu hart angehen – als der 40-Fuß Leopard-Katamaran Changing Spots hinter uns vorbeifährt und sein Groß setzt – ungerefft natürlich. Das kann ja heiter werden.

Bob fährt zur gleichen Zeit

Bob fährt zur gleichen Zeit

Wir gehen auf Amwind-Kurs um vom Land frei zu kommen, Bob geht nicht so hart an den Wind, er lässt es laufen. Einige Stunden später tun wir das natürlich auch und als die Sonne zum ersten Mal im Meer verschwindet, sehen wir die beiden Segel des Katamarans nur mehr ganz klein hinter uns am Horizont. Eigentlich hätten wir längst ausreffen können, aber wir lassen für die Nacht das erste Reff – man weiß ja nie. . .

Natürlich konnten wir zu diesem Zeitpunkt nicht wissen, dass Changing Spots für 18 Tage das einzige Schiff ist, das wir auf dieser Fahrt sehen werden. Kein Licht am Horizont, kein unbeleuchtetes Schiff, kein AIS-Signal – AIS schalten wir bald ab, um auf der langen Passage Strom zu sparen.

Lesestunde

Lesestunde

Wir haben also Glück und den Passat gleich vom Beginn an, fahren die ersten beiden Tage noch südlicher als der direkte Kurs, um ihn ja nicht zu verlieren und gehen erst am 3.Tag auf die 260°, die uns auf die Marquesas bringen sollen. Ohne zusätzliche Segelmanöver fahren wir hohe Schnitte – 400 Seemeilen in beiden ersten Tagen, nach dem Abfallen sinken die Etmale dann auf ca. 170. Beide Segel steuerbord und offen – so tief und schnell als möglich – rauschen wir dahin.

Sonnenuntergang

Sonnenuntergang

Da kommt die „Funkrunde“ auf SSB jeden Morgen recht gelegen, wo sich einige Segler, die alle mit gleichem Ziel unterwegs sind treffen und gegenseitig Wetter, Wind und Position mitteilen. Da sich an Wetter und Wind nicht viel ändert, ist letzteres natürlich von größtem Interesse.
Schön ist auch, dass wir die meisten Crews der morgendlichen Funkrunde persönlich kennen. Mit Remedy und Shakita haben wir in Isabela gemeinsame Ausflüge unternommen, mit Changing Spots einige gemeinsame Abende verbracht und Kite in San Cristobal getroffen.

Wendy und Ian

Wendy und Ian

Die Positionen werden notiert und ausgewertet – ist doch interessant, wie ähnlich völlig unterschiedliche Schiffe laufen – und wie groß die Unterschiede zu anderen sind. Barnstorm eine neuseeländische 47‘-Yacht ist zwei Tage früher gestartet und nach drei Tagen nur mehr 250 sm vor uns – die meisten anderen sind nach uns gestartet und jetzt circa 150 sm hinter uns, außer Changing Spots, der ist aber auch schon 100 Meilen hinten.

Bei gutem Wind liegen die Etmale der (durchwegs längeren) Einrumpf-Yachten meist sehr eng beisammen, erst als der Wind nachlässt, kommt es zu Veränderungen. Nur wenn wir anluven, also weiter nach S fahren, können wir mithalten, und sind sogar die schnellsten. Immer anluven geht aber nicht – da würden wir an den Marquesas vorbeifahren und wenn wir einen Tag Tiefe gewinnen, verlieren wir 20-30 Meilen auf die anderen Yachten.

die Parabremse

die Parabremse

Auch unser neuestes Segel kommt zum Einsatz. Anfangs setzen wir den Parasailor so, wie man es uns gelernt hat, ohne Großsegel. Das funktioniert gut, ist aber so richtig langsam – nicht schneller als mit Groß und ausgebaumter Genua. Zum Parasailor das Groß dazu setzen, funktioniert weniger gut.

Das Groß deckt den Parasailor ab, der Flügel bläst sich nicht ganz auf und der Stabilisierungseffekt in den Wellen ist kaum mehr vorhanden. Nur auf ganz tiefem Kurs, fast vor dem Wind, mit weit ausgebaumten PS ziehen beide Segel – aber so richtig schnell ist das auch nicht.

kurzes Vergnügen

kurzes Vergnügen

Also muss der „normale“ CBS-Spi her – zum Groß gesetzt sind wir damit auf der tiefen Raumen deutlich schneller. Allerdings nicht lange. Dann verhakt sich das Luvliek wieder – wie am Atlantik – in der Leesaling und ratsch – ein ca. ½ m langer Riss bedeuten das frühe Ende. Die Lieken wurden ja an dieser Stelle bereits verstärkt – jetzt reißt daher das Tuch. Das war‘s dann – der Spi wird weggepackt und damit auch die Chance vorne zu bleiben.

Anglerglück

Anglerglück

Wir fahren quasi einen dreifachen Ecker-Cup, ein 3000 Meilen-Race ohne gemeinsamen Start, ohne Rating und ohne Strafzeiten für Motorstunden. Wobei letzteres am meisten schmerzt – einen Vergleich damit unmöglich macht. Wie das halt bei einer Langstrecke so ist – abgerechnet wird zum Schluss. Nach zwei flotten Wochen, wo wir die höchsten Etmale fahren, macht uns der Passat einen Strich durch die Rechnung.

Begeisterung hält sich in Grenzen

Begeisterung hält sich in Grenzen

Er wird so schwach, dass ALLE motoren müssen, aber natürlich in höchst unterschiedlichem Ausmaß. Manche schieben ein wenig an bei der langsamen Fahrt unter Segel nach Lee, machen motoren ab 4 Knoten, wir segeln manchmal auch mit nur 2 Knoten, wenn die Segel nicht schlagen. Das ist der Zeitpunkt, wo wir gegen alle Schiffe verlieren – die ersten erreichen die Marquesas, die hinter uns liegenden fahren an uns vorbei, ohne dass wir ein Schiff zu Gesicht bekommen. Wir motoren insgesamt 18 Stunden auf der ganzen Passage – plus 6 Stunden für Wasser machen und Batterien laden – für 3.000 Meilen ein sehr guter Wert.

das Gemetzel ist vorbei

das Gemetzel ist vorbei

Zu guter Letzt teilt sich das Feld in zwei Gruppen, die „Braven“ fahren erst nach Hiva Oa einklarieren, die anderen direkt nach Fatu Hiva. Dort wird toleriert, dass man erst später einklariert. Wer will denn umdrehen und gegen den Wind nach Fatu Hiva zurückfahren – wir jedenfalls nicht. Schon 24 Stunden vor der Ankunft ist abzusehen, dass es wieder – fast möchte ich sagen, wie immer – eine Ankunft bei Dunkelheit wird. Es geht nur um 2-3 Stunden – die sind aber nicht gutzumachen – nicht mit der Parabremse – wir sind natürlich zu hoch, müssen also abfallen.

ein neuer Tag beginnt

ein neuer Tag beginnt

Aber immerhin war gestern Vollmond, das Mondlicht sollte doch hell genug sein. Als wir um 20:30 Uhr in die berühmte „Bucht der Jungfrauen“ einlaufen, beginnt es zu regnen, dicke Wolken verdecken den fast vollen Mond. AIS sei Dank blieb unsere Ankunft bei den Ankerliegern in der Bucht nicht unbemerkt und FARRFLY, ein 56er Farr-Design, den wir von der Funkrunde kennen, meldet sich auf Kanal 16. Er drehe alle seine Lichter auf und wir könnten unmittelbar hinter ihm und Changing Spots ankern. Changing Spots ist vor ZWEI STUNDEN (!), im letzten Tageslicht, angekommen. Zwei Stunden Differenz nach 2.972 gefahrenen Meilen – unglaublich – und wir haben ihn seit dem ersten Tag nicht mehr gesehen.

das hätten wir gesehen

das hätten wir gesehen

Zwar liegt die Tiefe auf dem empfohlenen Ankerplatz um die 30 m und wir probieren es lieber auf der anderen Seite der Bucht – aber nach 18 Tagen und 10 Stunden liegt der Anker auf Fatu Hiva auf den Marquesas – wir haben es endgültig geschafft. Die hohen Berge rund um uns werden wir erst morgen bewundern.

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