Werksangaben

Zahlen, Daten und Fakten sind mein Leben. Keine Schätzungen, keine Gefühlsentscheidungen, statistische Wahrscheinlichkeiten bestimmen mein Handeln.
So erfolgte die Auswahl fast aller im heurigen Jahr angeschafften Produkte nach deren technischen Daten, also nach den Werksangaben – in der Hoffnung, dass diese Angaben auch der Realität entsprechen.

gefallen die Daten nicht?

gefallen die Daten nicht?

Abgesehen vom Schiff (Haus) selbst, war der Watermaker der teuerste Ausrüstungsgegenstand, dementsprechend lange die Phase der Marktbeobachtung und Evaluierung. Danach stand mein Wunsch fest: es sollte ein (amerikanischer) Niederdruckgeräte werden, das sich nicht nur durch geringen Druck (und damit geringere Störanfälligkeit) auszeichnen soll, sonders auch durch besonders geringen Energieverbrauch. Da ich mir aber einen Einbau selbst nicht zutraute und die Montage durch einen Fachmann machen lassen wollte, war ich bei der Auswahl des Watermakers auf einen solchen angewiesen. Jeder Ausrüster vertreibt und montiert bestimmte Marken, für die er sich entschieden und bei denen er auch entsprechende Erfahrung hat.
So bin ich in La Rochelle zu einem Dessalateur-Watermaker gekommen, einem Hersteller, der mir völlig unbekannt war. Nur die Leistung, also die gelieferten Liter pro Stunden, war – nach einigen Crewinternen Diskussionen – klar: es sollten 60 l/h sein. Beauftragt, bestellt, eingebaut und bei einer Probefahrt in La Rochelle vorgeführt – der Watermaker hat funktioniert und produzierte (mehr als) 60l/h.
Allerdings nur bei der Probefahrt- schon bei unserer ersten Überfahrt über die Biskaya, waren es kaum 35 l/h, und an den folgende Tagen und Wochen wurden es (natürlich) nicht mehr. Da half keine Überprüfung der Zu- und Ableitungen, der Schläuche und Kabel, alles schien normal zu funktionieren, nur das erzielte Ergebnis war mehr als unbefriedigend. Für mich ein klarer Fall von Gewährleistung, die allerdings schwer einzufordern ist. Wir entfernten uns täglich weiter von unserem Auftragnehmer und Ausrüster, eine Rückfahrt von Spanien nach Frankreich – gegen den vorherrschenden Wind – kam nicht in Frage. Unter anderem auch deshalb, weil die Bedienungsanleitung eine Temperaturabhängigkeit der Leistung erwähnte. Die 60 l/h seien nur bei 25 Grad Wassertemperatur erreichbar – und davon waren wir in Galizien weit entfernt. Also fuhren wir weiter in den Süden – und entfernten uns immer weiter von unserem Ausrüster in La Rochelle.

das Wasser wird wärmer

das Wasser wird wärmer


An der Algarve hatten wir fast die 25 Grad Wassertemperatur – an der Leistung unseres Watermakers hat sich nichts geändert. Jetzt begann ein intensiver email-Verkehr zwischen Ausrüster, Hersteller und uns, wobei ich den Vorschlag des Ausrüsters als sehr ärgerlich empfand: Ich möge doch die Membran ausbauen und an das Werk schicken – vielleicht sei damit etwas nicht in Ordnung. Wie aufwändig und langwierig Sendungen sind, wenn weder Zeit noch Rücksendeort bekannt sind, kann sich jeder vorstellen.

Durchaus bemüht, hingegen die Tipps des Herstellers: zu geringer Zufluss, zu geringe Stromversorgung, zu starke Krümmung(en) der Leitung in den Tank usw. Die jeweils glaubhaft klingenden Vorschläge haben wir jede Mal verifiziert, den vermuteten Mangel eliminiert und als leider nicht zutreffend festgestellt. Irgendwann gingen auch die Tipps des Herstellers zu Ende und meine Emails wurden dann einfach nicht mehr beantwortet – so wie die an den Ausrüster.

Also blieb uns nicht anderes übrig als „professionelle Hilfe“ in Anspruch zu nehmen – auf unsere Kosten, versteht sich. Also versuchten wir erstmals in Portimao einen angeblichen Fachmann aufs Schiff zu bekommen – was natürlich nicht ganz leicht war, auch deshalb, da unser Schiff an einem Ankerplatz lag. Trotzdem ist es uns nach längerer Wartezeit gelungen, ein äußerst freundlicher Engländer kam eines Tages wie vereinbart mit seinem 200PS-Außenborder längsseits, überprüfte die Montage, und Funktion – und meinte, mit diesem Produkt habe er keine Erfahrung, aber grundsätzlich sei die Montage OK, nur die Ausscheidung des rückgeführten Salzwasser sei seiner Meinung nach viel zu gering. Mehr könne er dazu nicht sagen – und verabschiedete sich – ohne eine Rechnung zu stellen.

Uns konnte also nur ein Watermaker-Fachmann helfen, der auch Dessalateur-Erfahrung hatte – und wir versuchten Service-Stationen zu finden, die auf unserem Weg lagen. Drei fanden wir auf den Kanarischen Inseln. Der erste, auf Fuerteventura, hat unsere Emails nie beantwortet – diese Vertretung gibt es angeblich gar nicht mehr.

Der zweite war in Las Palmas (Gran Canaria) stationiert, welches bekanntlich im November im ARC-Fieber lag. Nur mit Glück konnten wir nach einigen Tagen einen Termin vereinbaren. Mit ausgeborgtem Motorboot kamen diesmal gleich zwei Dessalateur-Fachmänner zum Schiff, hatten viele gute Ideen, was man an der Installation alles anders und besser machen müsste – und stellten fest, dass sie in den beiden nächsten Wochen dafür sicher keine Zeit hätten. Die beiden verabschiedeten sich nach ca. einer Stunde wieder ohne Kosten, versprachen aber den Kollegen in Teneriffa, zu dem wir ja fahren wollten, telefonisch genau zu informieren, was eben alles zu machen sei.

in der Marina Santa Cruz

in der Marina Santa Cruz


Also ruhte alle Hoffnung auf der Nummer drei, dem Fachmann in Santa Cruz auf Teneriffa, der ja bereits telefonisch von unserem Kommen informiert worden sei. Leider war dies aber nicht ganz so der Fall, der eigentliche Dessalateur-Repräsentant hatte drei Tage zu tun und keine Zeit für uns – und gab dann den „Auftrag“ an einen wie er sagte „selbstständigen“ Fachmann weiter.

Dieser kam am nächsten Werktag zu uns aufs Boot, das diesmal in der Marina lag, überprüfte die gesamte Installation, zeigte sich vollauf zufrieden damit und vertrat die Meinung, wir haben die Mengenanzeige nur schlecht abgelesen, der Watermaker macht doch meist über 50l/h – und das sei doch eh ganz in Ordnung.

Watermaker

Watermaker

Man könne auch den Druck weiter erhöhen, um näher an die 60 l heranzukommen, das würde er aber keinesfalls empfehlen, es würde nur die Lebensdauer reduzieren und den Energieverbrauch steigern.
Wie viele Liter die Anzeige anzeigt kann jeder an dem folgenden Foto, das nach 2 (!) Betriebsstunden gemacht worden ist, selbst beurteilen.

Auch der drittte Fachmann an Bord verlangte keinen Cent für seinen Einsatz – und wir haben wieder etwas gelernt. Werksangaben technischer Daten sind zumindest in der Bootsbranche recht dehnbare Begriffe.

einer unser Motoren

einer unser Motoren

Eine Lavezzi 40 ist 11.90 m lang – 40 Fuß wären 12.20 m, die Volvo-Motoren D1-30 haben 28 PS, die Solarzellen mit 3×125 W peak sollten doch (annähernd, bis zu) 30 A Strom liefern können – mehr als 15 habe ich noch nie gesehen.

Und die 120A-Lichtmaschine ladet trotz Lade-Booster mit maximal 75 A meine Batterien – was zwar nicht so wenig ist, aber doch bei weitem nicht der Herstellerangabe entspricht.

unser Cul8r

unser Cul8r


Nur eine Angabe wird sicher nicht zu großzügig angegeben sein – das Leergewicht unsrer Cul8r von (angeblich) 6.200 kg, aber das werden wir vermutlich nie überprüfen können, da wir hoffentlich nie unser Haus komplett ausräumen werden.

2 Kommentare »

 
  • Anneliese &Alfred sagt:

    Hallo ihr zwei,sehe auf den Bild einen etwas ungläubigen Edi,Werksangaben verlieren an Gültigkeit je Weiter ihr weg seit? Ihr seid ja schon Unerwegs wir wünschen euch eine schöne Überfahrt Anneliese &Alfred.

  • Flo sagt:

    haha das liest sich ganz so als wäre der Edi auf den Geschmack des Schreibens gekommen 🙂 Super Artikel, gefällt mich wirklich sehr gut! Ich hoffe euer Watermaker funktioniert jetzt zumindest annähernd so wie er soll, und ihr seit auch mit dem Rest euer teilweise ja sehr aufwendigen aber halt auch notwenigen Ausrüstung zufrieden 🙂

    kisses hab euch lieb