Navigation heute

von oben gut zu sehen

von oben gut zu sehen

Zwar hat uns unsere Reise in den letzten drei Jahren über mehr als 26.000 Seemeilen geführt – das ist weiter als einmal am Äquator um die Welt – aber mit Standortbestimmung oder auch mit Erstellung einer Standlinie haben wir uns nie beschäftigen müssen. Es ist immer klar, wo wir uns befinden, auf Grad, Minute und Sekunde, unabhängig von Strömungen und Abdrift durch Wind.

Die Verbreitung von GPS macht es möglich und an Bord erhöht sich laufend die Anzahl der Geräte, die uns diese so wichtigen Koordinaten liefern. Egal, ob wasserdichter Fotoapparat oder unsere neueste Errungenschaft, ein Inmarsat-Satellitenhandy, – alle liefern uns eine exakte Position, welche es in Kombination mit elektronischen Seekarten sehr einfach macht, dem geplanten Weg zu folgen. Navigation im eigentlichen Sinn ist da nicht mehr nötig – solange man den angezeigten Karten trauen darf, aber darauf komme ich später.

er braucht kein Navi

er braucht kein Navi

Natürlich sind die Kartenplotter mit elektronischen Seekarten nicht gerade billig, aber die Regionen, die auf einem Chip verkauft werden, sind in den letzten Jahren immer größer geworden, sodass in den ersten drei Jahren nur jeweils ein Kartensatz um rund 300 € fällig war – heuer blieben wir im Pazifik und haben uns dadurch weitere Kartenkosten erspart.

Als Katamaranfahrer – die haben bekanntlich sogar einen Rumpf redundant – will ich natürlich von allen wichtigen Systemen eine Ausfallsicherung, und die stellt der unvermeidliche PC dar, der mit einer GPS-Maus versehen, ganz leicht zu einem autarken „Kartenplotter“ gemacht werden kann. Noch zu Beginn unserer Reise, 2009, tauschten die Langzeitsegler gehackte Kopien eines bekannten und teuren Navigationsprogramms aus, versuchten weitere Seekarten dafür günstig zu erstehen, aber jedes neue Betriebssystem (XP, Vista, W7) führte zu meist unlösbaren Problemen, Abstürzen oder Fehlfunktionen.

der Computer als backup

der Computer als backup

Zum Glück gibt es in der Open-Source-Gemeinde auch eine größere Anzahl begeisterter Segler und so wurde das Projekt OpenCPN (http://opencpn.org/) ins Leben gerufen. OpenCPN läuft auf allen gängigen Plattformen (Windows, Mac, Unix) ist frei downloadbar und für private Zwecke völlig legal verwendbar. Es hat alle gängigen Funktionen eines Navigationsprogrammes integriert, wie Entfernungsmessung, Wegpunkte, Routen, Tracking und bietet im- und exportierbare Layer für beliebige Infos.

Natürlich kann auch das beste Programm nur das anzeigen, was das verwendete Kartenmaterial hergibt – und darum müssen sich die Anwender leider selber kümmern. Bei den Fahrtenseglern finden meist die CM93-Karten Verwendung, die jährlich aktualisiert werden und weltweit für den ganzen Globus zur Verfügung stehen. CM93-Karten sind im Internet leicht zu finden – 1,1 GB für alle Karten weltweit – ich möchte allerdings keine Links dafür angeben, weil ich sie für urheberrechtlich bedenklich halte.

wo sind die Riffe

wo sind die Riffe

Ein weiterer Vorteil von OpenCPN ist die Möglichkeit, zwischen verschiedenen Karten der gleichen Region auf Knopfdruck zu wechseln, ohne die Position zu verändern. Da es dankenswerter Weise Staaten gibt, die Seekarten zur Unfallvermeidung ganz offiziell und kostenlos zur Verfügung stellen, kann man rasch zu unterschiedlichen Seekarten von der gleichen Region kommen.

Vorreiter USA beschäftigt ein ganzes Amt (NOAA – National Oceanic and Atmospheric Administration), das Seekarten und Routenbeschreibungen (Coast Pilots) für alle Gewässer der USA, also auch für Hawaii, Porto Rico und die Virgin Islands laufend aktualisiert und ins Netz stellt. Auch Neuseeland bietet freie Seekarten an – sogar für die von den Neuseeländern bevorzugten Seegebiete Tonga und Fidschi. Einen guten Überblick über alle frei erhältlichen Seekarten bietet die deutsche Seite von OpenCPN auf http://opencpn.de/downloads/seekarten

wir sind über eine Insel gefahren

wir sind über eine Insel gefahren

Auf diese Weise bestens ausgestattet sind wir ohne nennenswerte Probleme bis nach Fidschi gekommen, um hier festzustellen, dass ALLE existierenden Seekarten in diesem Revier einfach nicht stimmen. Auch die neuesten Seekarten – egal ob Papier oder elektronisch – weichen oft, aber nicht immer, um 0,5 – 3 Seemeilen von der Realität ab. Ursache ist, dass diese Gegend letztmals vor mehr als 100 Jahren kartografiert wurde und damals die genauen Koordinaten mangels GPS noch nicht bekannt waren. Die heute verfügbaren Seekarten von Navionics, C-Map, Garmin oder wie sie alle heißen, basieren alle auf diesen alten Papierkarten und sind daher teilweise verschoben. Natürlich gibt es auch jede Menge Riffe, die gar nicht Eingang in diese Karten fanden, da sie nicht bekannt, übersehen oder möglicher Weise damals noch gar nicht existiert haben.

das Kreuz markiert den Ankerplatz

das Kreuz markiert den Ankerplatz

Zwar bieten moderne Navigationsprogramme (auch OpenCPN) die Möglichkeit, eine Karte „zurechtzurücken“, also die Position zu verschieben, dies muss aber erstens mit jeder Detailkarte extra gemacht werden, weil diese Verschiebungen für jede Karte anders sein können, und erfordert zweitens einen „wahren Ort“, um das Ausmaß festzustellen. Man muss sich also erst einmal auf der entsprechenden Karte befinden, um sie einrichten zu können. Bei unserer „ruhelosen“ Art von Insel zu Insel zu segeln und kaum Orte mehrmals zu besuchen, nicht besonders attraktiv.

Das führt zumindest in Fidschi dazu, dass es angeblich nur zwei Kategorien Segler gibt – jene, die es zugeben, bereits auf ein Riff aufgelaufen zu sein – und jene die das nicht zugeben. Man kann sich praktisch nur auf die „Augapfel-Navigation“ verlassen – und die versagt bei trübem Wetter oder tief stehender Sonne. So gehen angeblich allein in Fidschi jedes Jahr zwischen 4-12 Yachten verloren.

mit Google Earth durch den Pass

mit Google Earth durch den Pass

Aber zum Glück hat unsere moderne Zeit längst auch für dieses Revier eine Lösung gefunden. Die einzig wirklich genaue Position liefern nur die in den letzten Jahren gesammelten Google-Earth (GE)-Bilder, die mit entsprechenden Programmen in Seekarten konvertiert und ebenfalls am PC angezeigt werden können. OpenCPN bietet ab der Version 3.0.0 sogar ein Plugin an, das Google Earth aufruft und in einem eigenen Fenster genau den Teil der Erde anzeigt, der auf der Karte aufgeschlagen ist. Diese sehr komfortable Art der Betrachtungsweise erfordert allerdings Breitband-Internet und das ist unterwegs, zwischen den Riffen, kaum verfügbar.

... und zwischen den Riffen

… und zwischen den Riffen

Weit praktischer erweist sich wieder einmal eine Tauschbörse unter den Seglern. Bei gutem Internet speichert sich jeder Segler die Bilder seiner geplanten Routen – ein zugegeben etwas mühsames Unterfangen, wenn die Bildqualität ausreichen soll – das allerdings durch Tausch mit anderen bedeutend an Attraktivität gewinnt. Mein Datenbestand an konvertierten GE-Bildern allein für Fidschi hat bereits einen Umfang von mehr als 4 GB – und trotzdem ist damit nicht das ganze Seegebiet abgedeckt.

segeln mit PC und Plotter

segeln mit PC und Plotter

In der Praxis lege ich mir hier in Fidschi am Vorabend eine geplante Route für den nächsten Tag auf die CM93-Karten und betrachte diese Route auf den GE-Bildern. Führt meine geplante Route über Riffe oder Land, kann ich die entsprechenden Wegpunkte leicht ins tiefe Wasser verschieben. Als Segler, der nie so genau weiß, wo ihn die Winde am nächsten Tag hinführen werden, freut mich diese vorabendliche Routenplanung zwar wenig – es erscheint mir aber in Fidschi die einzige Möglichkeit, außerhalb von Mittagszeit und Schönwetter den Ankerplatz zu verlassen.

Angeblich ist bei den „großen“ Seekartenherstellern eine Satellitenansicht mit durchscheinender Küstenlinie geplant, die über die „normale“ Seekarte gelegt und damit gleichzeitig angezeigt werden kann – aber die ist eben noch in Entwicklung und wird zusätzlich einen tiefen Griff in die Geldbörse fordern. Mit dem einfachen Wechsel zwischen CM93-Vektorkarten, GE-Bildern und Neuseeländischen Rasterkarten von Fidschi kann man sich schon jetzt in diesem Revier auch bei trübem Wetter in die „Outer Islands“ wagen.

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