Die Gezeiten

In La Rochelle waren wir von den verschiedenen Wasserständen sehr beeindruckt. Nicht nur die (erwarteten) Unterschiede zwischen Ebbe und Flut, sondern die von uns eher nicht erwarteten Veränderungen dieser Unterschiede. Seit unserer ersten Woche waren wir 2-3m Tidenhub gewöhnt, drei Wochen später waren es dann 6 Meter Tidenhub.
In der Marina hängen alle Schiffe an Schwimmstegen, die an langen dicken Pollern befestigt sind. So fahren die Schiffe mit den Stegen auf und ab. Am Schiff selbst merkt man das kaum – manchmal sitzt man im Keller und manchmal schaut man den an Land stehenden Gebäuden in die Fenster des ersten Stockes. Für Mittelmeersegler ein ungewöhnliches Erlebnis.

riskantes Trockenfallen

riskantes Trockenfallen

Natürlich nützen die Segler den großen Tidenhub um kostengünstig Arbeiten am Unterwasserschiff machen zu können. Auch Kielboote werden an der Hafenmole festgebunden und „lehnen“ regelrecht an der Mauer. Wenn dies allerdings nicht mit der notwendigen Sorgfalt geschieht, kann es zu wahrlich abenteuerlichen – und nicht ungefährlichen – Schräglagen kommen.

im Trockenen

im Trockenen

Katamarane haben es da deutlich einfacher: sie können sich einfach auf einen in jedem Hafen vorhandenen Slip stellen und warten, bis das Wasser weg ist. So haben wir das auch gemacht, als die die bestellten Faltpropeller endlich geliefert worden sind. Auf Empfehlung unseres Ausrüsters fuhren wir zu Mittag, 2 Stunden nach Hochwasser, auf den Slip und weitere 2 Stunden später wurden die Propeller im Trockenen wie geplant ausgetauscht. Nicht geplant war allerdings, dass der Wasserstand beim nächsten Hochwasser um ca. 23 Uhr niedriger war als jener als wir auf den Slip gefahren sind und wir zu mitternächtlicher Stunde feststellen mussten, dass wir nicht freikommen und auf dem Slip vermutlich mehrere Tage festsitzen werden. Fehler im Tidenkalender oder Auswirkungen eines ausgeprägten Hochs (der hohe Luftdruck „drückt“ das Wasser weg) – nie werden wir es erfahren.

Hubstapler für Katamarane

Hubstapler für Katamarane

Zu unserem Glück ist man in La Rochelle für alle Eventualitäten ausgerüstet und so wurden wir nach kaum 30 Stunden am Slip von einer Art „Hubstapler“ befreit, der unser Schiff zwischen den Rümpfen aufhob und einige Meter weiter unten wieder am Slip abstellte.

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Nach der Überquerung der Biskaya ist der Tidenhub zwar nur mehr 2 bis max. 4 m aber bei der Suche eines Ankerplatzes müssen wir das doch berücksichtigen. Unser Schiff hat 1.2m Tiefgang, das bedeutet, wir können bei ruhigem Wetter auf 2.5 m Wassertiefe ankern. Wenn wir jedoch die Gezeiten nicht berücksichtigen und bei Hochwasser auf 2.5 m ankern, könnte es schon passieren, dass wir dann bei Niedrigwasser am Trockenen stehen.

falscher Ankerplatz

falscher Ankerplatz


Wie es auch bei Kielbooten immer wieder zu sehen ist – das Foto stammt vom 5.9. in Faro – auf Grund der unkomfortablen Schräglage haben die Betroffenen versucht es sich am Strand gemütlich zu machen.
Die Tide bestimmt die Tagesplanung an der Algarve und an der Südwestküste Spaniens. Hier gibt es viele Einfahrten die sehr flach sind. Dort ist auch mit unserem Schiff ein- und ausfahren nicht jederzeit möglich und es müssen die Wassertiefe und die aus den Gezeiten resultierende Strömung berücksichtigen werden.
Weit hinaus strecken sich die Sanddünen. Zwischen Faro und Huelva hatten wir in einer Entfernung von 3 Seemeilen vom Land immer noch zwischen 8 und 12 Meter Wassertiefe. Ein El Dorado für Fischer, die jede Menge Reusen und Netze ausgelegt haben. So wird uns hier beim Segeln nie langweilig. Im Gegenteil – so manche flache Einfahrt gestaltet sich spannender als ein Krimi. Wenn alle wie gebannt den Tiefenmesser beobachten, der zwischen 4,5 und 1.4m Wassertiefe schwankt.
Ungewöhnlich für uns ist auch die Strömung am Ankerplatz die sich alle 6 Stunden ändert. Wir sind gewohnt, dass sich unser Schiff beim Ankern in den Wind dreht, das ist sehr bequem denn dann können wir auf unserer Terrasse im Windschutz des Schiffes sitzen. Hier passiert es immer wieder, dass uns der Wind von hinten ins Schiff bläst, da sich dieses mit der Strömung dreht. Was natürlich in der südlichen Hitze durchaus auch angenehme Seiten hat. Beim Baden ist allerdings Vorsicht angebracht. Ein unüberlegter Sprung ins gar nicht mehr so kühle Nass kann schon eine endgültige Trennung vom Schiff bedeuten. Eine Leine zum Anhalten ins Wasser zu werfen, dürfen wir nie vergessen.

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