Warum Verkauf

Eine derart weitreichende Entscheidung macht man sich natürlich nicht leicht und viele Argumente werden erwogen, bewertet und auch wieder verworfen. Die Konsequenzen sind für uns recht dramatisch, ein neues Leben muss begonnen und ein neuer Lebensmittelpunkt gefunden werden. Einige Gründe für den Verkauf haben wir ja bereits zum Jahresbeginn im Artikel „Jedes Ende ist ein Neubeginn“ genannt (Cyclonrisiko, korrupte Behörden, drückende Schwüle, Bewegungsmangel, usw.), aber leider waren da noch andere, die wir aus verständlichen Gründen damals noch nicht publik machen wollten.

on the beach - zur Schadens-Begutachtung

on the beach – zur Schadens-Begutachtung

Bereits im September 2012 fanden wir in Fiji die ersten Blasen knapp unter der Wasserlinie, mehrere Zentimeter lang. Aufmerksam darauf wurden wir durch den „Leidenskollegen“ mit der LAVEZZI der Baunummer 226 – also ebenfalls im Winter 2009 gebaut, nur 4 Baunummern nach der unseren. Dieser recht unglückliche Eigner hatte seine LAVEZZI kaum länger als ein Jahr, war aus der Karibik damit in Richtung Westen gesegelt und hatte bereits in den USA die ersten Blasen entdeckt.

Blasen unter Wasser ...

Blasen unter Wasser …

Die Hersteller-Werft Fountaine Pajot (FP) hat ihn wie üblich beschwichtigt, der Schaden sei „only esthetic“, also nur optisch und es sei keinerlei Eile bei der Reparatur notwendig. Er entschloss sich wie geplant durch den Pazifik zu fahren und erst in Neuseeland reparieren zu lassen – fand allerdings in Fiji bereits beide Rümpfe komplett mit handtellergroßen Blasen übersäht, die teilweise bis zu 10cm über die Wasserlinie reichten.

... und über Wasser

… und über Wasser

Die Lage hat sich also in seinem Fall in einem Jahr dramatisch verschlechtert. Da die Osmose-Garantie von FP nur für Flächen UNTER der Wasserlinie und nur dem Erstbesitzer (!) versprochen wird, hatte unser lieber Kollege beim Verhandeln mit der Werft relativ schlechte Karten – angeblich wird FP ihm „auf Kulanz“ diesen Schaden trotzdem ersetzen.

1mm GFK sollen abgetragen werden

1mm GFK sollen abgetragen werden

In unserem Falle war die Situation eine andere, die Blasen unter der Wasserlinie waren bei weitem nicht so häufig und so groß, möglicherweise eine Konsequenz der zwei Epoxy-Schichten, die wir vor der ersten Wasserung haben aufbringen lassen.

bei Blasen weit mehr

bei Blasen weit mehr

Eine aufwändige Sanierung des gesamten Unterwasserbereiches war aber in jedem Fall angebracht. Noch mehr verwunderlich sind allerdings die vielen kleineren, ungefähr fingernagelgroßen Blasen an der Außen- und Innenseite der Rümpfe, bis zu 80 cm über der Wasserlinie, für die es – siehe oben – keine Herstellergarantie gibt und die recht plötzlich entstanden sind.

was zuviel war ...

was zuviel war …

Im September 2012 waren sie noch nicht zu sehen, im November 2012 waren sie in voller Größe da. Auch in der großen australischen Sommerhitze haben sie sich dann kaum weiterentwickelt, allerdings war unser Schiff zu diesem Zeitpunkt nicht mehr im Wasser.

...  wird wieder zulaminiert

… wird wieder zulaminiert

In der Kühle des Herbstes hat sich die Größe der Blasen unter dem Bridgedeck aber eher zurückentwickelt. Die Anzahl der kleinen Blasen ist ungefähr gleich geblieben (ungefähr 80), die großen haben wir reparieren lassen.
Nach meinem Verständnis kann es sich dabei nicht um Osmose handeln, da es sich bei Osmose um einen Transport von Wassermolekülen handelt, der deutlich über der Wasserlinie kaum von statten gehen kann.

unten ohne

unten ohne

FP spricht von „Hydrolysis“(Spaltung einer (bio)chemischen Verbindung durch Reaktion mit Wasser), ich habe den Eindruck es handelt sich eher um eine Delaminierung (Ablösung) von Gelcoat und Glasfaser an Flächen, die wie gesagt nicht im Wasser, die aber auch nicht unbedingt der sengenden Sonne ausgesetzt waren (z.B. unter dem Brückendeck).

Glasfasermatten werden aufgetragen

Glasfasermatten werden aufgetragen

Wir haben 23 der optisch am meisten auffälligen Blasen aufschleifen und reparieren lassen, die große Menge der kleinen Blasen am Brückendeck aber belassen. Der vom Käufer beauftragte Gutachter hat diese erst überhaupt nicht bemerkt, auf meinen Hinweis dann als „unkritisch“ und „belanglos“ eingestuft – wie dies die Werft ja auch gemacht hat („only esthetic“).

ein trockener und schattiger Arbeitsplatz

ein trockener und schattiger Arbeitsplatz

Tatsache ist, dass wir vor allem die Menge der in kurzer Zeit aufgetretenen Blasen als sehr beunruhigend empfanden und kein Verlangen verspürten, in den nächsten Jahren in jedem größeren Hafen aufwändige GFK-Reparaturen durchführen zu lassen. Neben den eigentlichen Reparaturkosten ist ja bei Werften mit guter Reputation dann noch mit langen Wartezeiten zu rechnen, und Garantien auf die Arbeit sind relativ wirkungslos, wenn wir weiter um den Globus reisen wollen.

jetzt fehlt nur mehr die Farbe

jetzt fehlt nur mehr die Farbe

Abgesehen von der Blasenbildung gab es noch weitere Gründe, die unsere Verkaufsentscheidung erleichterten: wir sind wirklich überrascht, wie rasch Teile des Bootes altern und nach kaum vier Jahren bereits erneuerungsbedürftig sind. Die Sonne verbrannte die Nähte und den Stoff vom Netz am Vorschiff, von Bimini und Großsegelpersenning, Salz und Spritzwasser setzten Plotter und Ankerwinsch (fast) außer Gefecht, Feuerlöscher ud Rettungsinsel sind vermutlich zu ersetzen, weil sich eine Überprüfung aus Kostengründen kaum auszahlt.

besser als neu

besser als neu

Die ständigen Verformungen der Rümpfe in den Wellen haben die Anzahl der Sprünge innen und außen anwachsen lassen und wir haben den Eindruck, dass das Deck immer weicher und die gewollte „Flexibilität“ immer größer wird. Mag sein, dass viele dieser Empfindungen nur im Kopf entstehen, jedenfalls haben sie dazu geführt, dass wir unsere CUL8R auf den letzten Überfahrten lieber weniger als mehr forderten, sprich mit weniger Segelfläche und langsamer segelten, als in den Richtlinien von FP angegeben. Damit reduzierte sich zumindest für die halbe Crew der Spaßfaktor, die andere Hälfte der Crew fand das gar nicht so unangenehm.

am Autokran

am Autokran

Andere FP-Eigner kann ich nur insofern beruhigen, als angeblich keines der anderen Modelle dermaßen Osmose-anfällig sein soll, als die LAVEZZI. Wobei auch bei den „alten“ Modellen immer wieder „Hydrolyse“ auftritt, aber meist erst nach mehr als 10 Jahren und nicht schon nach 3-4. Erst ab 2010 wird bei angeblich allen FP-Modellen Vinylesterharz verwendet (kein Epoxy!), das Osmose langfristig (wie lange?) verhindern soll.

zurück ins Wasser

zurück ins Wasser

Dringend zu empfehlen und einzig mir bekannte Möglichkeit Osmose hintan zu halten, ist mehrere ausreichend dicke Schichten Epoxy vor dem Unterwasseranstrich anzubringen, was allerdings bei uns von allen Anfang an der Fall war und nicht den erhofften Erfolg gebracht hatte. Im Norsand Boatsyard in Neuseeland hat man uns klar gemacht, dass die bei uns vorhandenen Epoxy-Schicht zu dünn sei – uns wurde eine kompletten Abtragung aller Antifoulingschichten und eine neue, dickere Epoxytrennschicht empfohlen, was wir aber dankend abgelehnt haben. Vermutlich helfen auch regelmäßige, längere Standzeiten am Trockendock und/oder der Aufenthalt in kühleren Gefilden.

Schreibe einen Kommentar

XHTML: Diese Tags kannst Du benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>